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Die zweite Drehwoche oder "So fühlt sich also die Sonne an"


Völlige Erschöpfung ist das Gefühl, welches mir als erstes in den Sinn kommt wenn ich an die Dreharbeiten in der zweiten Woche denke. Der Rhythmus änderte sich total da wir nun nur noch Tagdrehs hatten (einzig die Szene die wir geschoben haben war noch eine Szene bei Dunkelheit). Fast alle waren zudem Außendrehs und so war an jedem Abend die bange Frage ob das Wetter denn auch halten würde. Wir hatten Glück  – kein Regen und so konnten alle Szenen gedreht werden. Der Drehplan war deutlich entspannter und so kamen wir trotz Erschöpfung noch einigermaßen voran. Die Belichtung war ein ziemlich großes Problem, da die Sonne teilweise mitten im Take verschwand oder mit voller Wucht auftauchte. Und dann waren da natürlich noch die typischen Tonprobleme. Diesmal waren es die obligatorischen Flugzeuge und das Geräusch von Motorsegen oder Holzäxten. Hunde und Katzen waren auch da und mussten abgelenkt werden, damit sie nicht bellten, miauten oder ins Bild rannten. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr wie wir diese Woche geschafft haben aber auch wenn die Setups immer langsamer und die Pausen immer länger wurden, irgendwie hatten wir am Ende alles abgedreht. Wie auch bei den Nachtdrehs nun die Highlights:

•     Nadine, die es in der Szene in welcher sie von ihrer Vergangenheit erzählt, geschafft hat das ganze Team zum Heulen zu bringen.

•    Nikolai der einen wunderbaren Giftanfall spielt und sich davor so verausgabt hat, dass er sich übergibt. Natürlich vor laufender Kamera.

•    Neidische Gefühle als Nadine, Christian und Anja an ihrem freien Tag nach Prag fahren konnten während wir anderen weiter gedreht haben.

•    Christian der nach dem Dreh der Verfolgungsjagd mit blauen Flecken übersät war (wir erinnern uns noch an die Beule aufgrund der Zuckerglasflaschen).

•    Der Versuch ein kleines Einschussloch mit einem Vorschlaghammer in den Safe zu machen artete in einem völlig zerstörten Tresor aus. Da dies unser einziger Tresor war sieht man ihn gegen Ende des Films kaum noch.

•    Ein paar Kameraeinstellungen für die ich mich im Nachhinein gerne erwürgen würde.

•    Micha der es schaffte, voller Schmerzen ein „Wir waren wie Brüder" zu schreien obwohl wir beide diesen Satz die ganze erste Woche immer wieder veralbert und daraus Trinksprüche gemacht haben.

•    Tschechischer Absinth am letzten Abend. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.


Der letzte Drehtag oder "Spazieren im bayerischen Wald"

Nach 12 Drehtagen am Stück war auf oder bei der Hütte alles abgedreht. Nun hieß es also zurück nach Deutschland. Nach ewig langem Packen und dem Verteilen des Gepäcks auf die verschiedenen Autos konnte es schließlich los gehen. Die Fahrt nach Bodenmais im bayerischen Wald war dann völlig entspannt. Die Darsteller wurden ins Hotel einquartiert, mit einem wunderbaren Auftritt von Micha der aufgrund des Platzmangels seine Klamotten in Alditüten transportieren musste. Tom und ich sind noch einmal alle Locations abgefahren denn der Schnee auf den Berggipfeln hat uns schon ein bißchen Sorgen gemacht. Und siehe da, der Arbersee ist zugefroren und eingeschneit. Das ist er um diese Jahreszeit eigentlich nie und so hieß es für uns mit rießigen Heizstrahlern die Wege vom Schnee zu befreien – so hätte es zumindest sein sollen aber da unser Budget leider nur für einen kleinen Handfön ausgereicht hätte, hieß es umplanen denn die schneebedeckten Wege passten leider überhaupt nicht ins Gesamtbild. Also haben wir nur bei den Rießlochwasserfällen sowie dem Pfahl bei Viechtach gedreht. Aufgrund des wunderbaren Wetters war es ein sehr entspannter Drehtag. Für die Darsteller hieß es nach all den anstrengenden Drehtagen ein bißchen durch den Wald zu schlendern. Die Szenen waren relativ einfach da wir uns keine Gedanken über Ton (den haben wir nämlich nicht separat aufgenommen) oder Dramaturgie (die wichtigsten Entscheidungen waren: "Wer läuft mit wem?" und "Wie angenervt ist Vanessa?") machen mussten. Der Zeitdruck hielt sich auch in Grenzen und so erreichte die Geschwindigkeit mit der wir neue Setups aufgebaut haben ihren absoluten Tiefpunkt. Am Mittag waren wir noch in einem Restaurant und Tom hat in irgendeinem

Hinterzimmer noch schnell durch gerechnet ob das Geld auch wirklich ausreicht, so  knapp war es dann gegen Ende. Den Nachmittag haben wir dann wieder gedreht bis es schließlich so weit war. Das letzte gerufene „Und Schnitt  ? ist  immer das Schwerste denn dann ist es wirklich vorbei. Nach Sekt aus Pappbechern auf einem Parkplatz hieß es dann schließlich Abschied nehmen. Ich erinnere mich noch an die völlige Erschöpfung und an das Gefühl trotzdem am liebsten  weiter  drehen zu wollen. Aber wir hätten keine Stunde mehr drehen können. Tom habe ich noch nie so am Arsch gesehen wie in diesem Moment (und wir sind schon 14 Stunden zusammen nach Asien geflogen, haben Wochenenden durchgefeiert oder sind tagelang  in  Neuseeland gewandert). Völlige Erschöpfung, völlige Leere. Nur noch ein Wunsch: Schlafen.

Der Schnitt oder "Die Geschichte neu erzählt"


Tausend Fragen und ein unglaublich großer Berg Rohmaterial vor einem (wir hatten ungefähr 900 Minuten Film was einem Drehverhältnis von 1 zu 15 entspricht - schon mal nicht so prickelnd). Aber erst einmal einen Schritt nach dem anderen, angefangen beim Sichten der Aufnahmen. Danach wurde der Ton angelegt (ich hasse Ton anlegen - echte Affenarbeit aber dank Unterstützung des Premiere Plug-ins „Plural Eyes" ging es einigermaßen schnell vorran). Dann habe ich den ersten Rohschnitt gemacht. Noch ohne auf Anschlüsse, Bilder oder die beste Schauspielerleistung zu achten. Es ging einzig und allein darum, heraus zu finden ob der Film so funktioniert wie wir uns das vorgestellt haben. Tat er leider nur bis zur Hälfte, danach ging irgendwie der Fluss verloren. Dennoch ging das Schneiden am Anfang ziemlich gut voran (um ehrlich zu sein, ich habe auch mit den einfachen Szenen begonnen). Irgendwann kommen dann aber auch die etwas problematisch zu schneidenden Szenen und so kam es schon mal vor, dass ich die Arbeit eines ganzen Abends wieder in den Müll geschmissen habe und einfach wieder von vorne angefangen habe. Zwischendurch habe ich immer mal wieder ein bißchen animiert und Effekte eingefügt. Ein paar Szenen habe ich  in wenigen Tagen geschnitten, für ein paar andere hat es Monate gedauert bis diese in ihrer finalen Form vorlagen. Immer wieder haben wir uns die jeweils aktuelle Schnittfassung angeschaut. Manchmal mussten nur Kleinigkeiten geändert werden, manchmal war das Ergebnis ganze Szenen neu aufzubauen. Besonders das letzte Drittel des Films hat uns sehr viel Mühe bereitet. Hier hat sich gezeigt, dass schon das Drehbuch in der Mitte einen kleinen Durchhänger hatte. Zudem sind ein paar Szenen wirklich nicht gut aufgenommen worden, das Material wurde immer spärlicher (man erinnere sich noch an das Gefühl der totalen Erschöpfung in der zweiten Drehwoche) und so hieß es teilweise wirklich um jeden einzelnen Frame zu kämpfen. Erst als wir die Entscheidung getroffen haben, Szenen in der Mitte auseinander zu reißen wurde es besser. Für das letzte Viertel haben wir dann sicherlich 4 oder 5 Anläufe gebraucht bis wir damit zufrieden waren. Die Worte des Sprechers mussten komplett neu geschrieben werden, denn so wie im Drehbuch vorgesehen war es viel zu kompliziert und langatmig. Hier kam dann der letzte Schauspieler ins Spiel: Wilhelm Schlotterer. Ein letztes Mal kam die Magie eines ausgebildeten Schauspielers auf und innerhalb von einer Stunde war alles aufgenommen. Ganz am Ende

haben wir uns dazu entschieden zwei Szenen komplett raus zu schmeißen. Dadurch wurde der Film zwar noch einmal kürzer aber der Rhythmus des Films fühlte sich deutlich besser an. Hier zeigte sich deutlich eine alte Weißheit: Wenn eine Szene den Film nicht voran bringt dann gehört sie auch nicht in den Film. Basta. Insgesamt ist der Film nun 59 Minuten lang geworden. Weniger als wir uns erhofft haben aber lieber haben wir einen kurzen Film der uns gefällt als einen langen Film der nach 10 Minuten langweilt. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir Teile von „Zeichen der Schwäche" im Schnitt neu erzählt haben. Damit meine ich nicht, dass wir die Geschichte von Grund auf neu erfunden haben aber durch das Weglassen bzw. Kürzen von Szenen bekam der Film einen ganz anderen Rhythmus. Zudem war es erstaunlich, wie sehr die Konzentration auf bzw. das Weglassen von Personen oder deren Reaktionen die Bedeutung von Szenen völlig verändert hat. Natürlich bringt das auch den Nachteil der tausenden Fehlentscheidungen, welche man treffen kann mit sich aber es ist halt auch extrem spannend, dass man den Film immer noch ein bißchen besser machen kann.

© by Harder Life Pictures 2017
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