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Die Schauspieler kommen oder "Panik vor dem ersten Date"


Sonntag. Aufgewacht und da ist es wieder. Das Gefühl von Aufregung, Panik und Selbstzweifel gemischt mit Vorfreude und dem unbedingten Willen jetzt endlich zu drehen. Die erste  Ladung Essen und Getränke wird uns noch geliefert, alles wunderbar.
Am Nachmittag heißt es für uns dann Warten auf die Schauspieler. Also wieder ins Auto und das „fahrbare" Stück (wie oft habe mir in den zwei Wochen gewünscht, meinen Ford Focus gegen einen Geländewagen eintauchen zu können) zurück, um alle am Dorfplatz ab zu holen. Dort steht das Rathaus, die einzige Kneipe und ein kleiner Laden der nie geöffnet hat. Neben einem Denkmal für Soldaten des ersten Weltkriegs spielt sich dort das kulturelle Leben von Koryta ab. Nach kurzer Zeit der erste Anruf, bitte bitte keine Absage denke ich panisch aber Entwarnung, das erste Auto steckt nur im Verkehr fest und braucht eine halbe Stunde länger. Alles im grünen Bereich. Dann kommen die ersten drei schon: Christian Stock, Nadine Petry und Gregor Marstaller. Die erste Begegnung abseits von Telefon und email. Nach dem Umladen des Gepäcks und der Schauspieler in unser Auto (die Autos der Darsteller wurden vor dem Rathaus abgestellt), dem obligatorischen Zerkratzen des Unterbodens, einige panischen Blicken der Darsteller als sie den steilen Abgrund rechts vom Weg sehen und einem kleinen Marsch über die einzige, wenig vertrauenserweckende Brücke kommen wir schließlich an der Location an. Ein bißchen später kommen auch Anja Barth, Michael Jassin und Nikolai Will. Alle da, zwar skeptisch weil die Crew nur aus Tom und mir besteht aber hey, wir sind völlig abgeschnitten von der Außenwelt. Kein Telefon, kein Internet, kein Handyempfang, kein Fernsehen und ein verdammt langer Weg zurück zum Auto. Es gibt keinen Weg zurück.



Der erste Drehtag

Endlich können wir das machen wofür alle da sind. Keine Gedanken mehr an Catering und Unterkunft. Jetzt endlich drehen wir einen Film. Die ersten Setups sind schnell aufgebaut, die Shotlist ist noch einigermaßen realistisch machbar und so kommen wir mit den ersten Aufnahmen recht flott voran. Wir drehen Teile der Wanderung und schon hier zeigt sich was die Schauspieler aus so einfachen Anweisungen wie „So, ihr lauft jetzt einfach diesen Weg entlang. Einfach Spaß haben" denn so machen können. Es fühlt sich einfach vollkommen natürlich an - 6 Studenten auf dem Weg zur Hütte. Die ersten Steadycamfahrten werden gemacht. Am Abend dann die ersten Nachtaufnahmen in der Hütte. Alles noch ohne großen Stress,  die Darsteller haben noch ein bißchen Zeit uns und sich kennen zu lernen und Tom und ich kommen langsam in die Taktzahl die nötig sein wird um den Film in zwei Wochen abzudrehen. Die letzten Einstellungen sind ein paar Close ups in denen Alkohol getrunken wird. Aus Gründen der Authenzität wird meist Limes getrunken, der mitgebrachte Tomatensaft hatte aber auch einen leicht anderen Rotton :-)

Ein exemplarischer Tag oder "Der ganz normale Wahnsinn"


Um mal einen Eindruck eines typischen Drehtags zu vermitteln kommt jetzt einfach mal exemplarisch die Beschreibung eines typischen Nachtdrehs. Der „Tag" beginnt mit Aufstehen irgendwann um 16:00  Uhr. Kurz duschen, Zähne putzen und dann kann es los gehen. Beim „Frühstück" lese ich mich wieder in die heute anstehenden Seiten des Drehbuchs ein. Dabei ist das Wichtigste für mich, die Stimmung der Szene(n) wieder zu fühlen. Ich versuche sie in den Kontext des schon gedrehten Materials zu bringen um evtl. die Dramaturgie und die Intensität von Szenen oder Textzeilen anzupassen. Wenn ich dann soweit bin, wird (zumindest bei den schwierigen Szenen) geprobt. Erst einmal wird die Szene nur gelesen. Rhythmus, Intensitätsgrad und die Bedeutung der Szene im Kontext der Geschichte werden besprochen bis es schließlich Abendessen gibt. Tom kümmert sich um die ganze Organisation, beantwortet alle Fragen und kümmert sich um die Darsteller. Irgendwie komme ich eigentlich fast jeden Tag dazu die Objektive zu reinigen und so geht’s anschließend zur Location (wobei fast immer unser Platz zum Abendessen auch die Location war – klingt aber cooler) wo Tom und  ich erst einmal aufräumen und alles einrichten. Nach Kamera, Licht und Tonaufbau sind wir noch einmal die geplanten Einstellungen durchgegangen. Schließlich waren wir endlich so weit. Es war dunkel und so konnten die Proben direkt am Set beginnen. Jetzt wurden die Feinheiten besprochen, Laufwege fest gelegt und wenn nötig Marken gesetzt. Die erste Einstellung war dann meist eine Totale in der die Szene, soweit sinnvoll, komplett durchgespielt wurde. Irgendwie ist es einfach ein beruhigendes Gefühl die Szene schon einmal im Kasten zu haben. Für die Schauspieler hat dies meines Erachtens den Vorteil, dass sich alle in die Szene einfinden können ohne dass sie gleich in einer Nahaufnahme zu sehen sind. Dann wird gedreht, die ganze Nacht lang, fast immer bis die  Sonne aufgeht. Die Schauspieler fallen nach dem sie abgedreht waren ziemlich fertig ins Bett (außer Gregor der auch um 07:00 morgens noch fit war und manchmal den Eindruck vermittelt hat, dass er überhaupt nicht schlafen muss – absolut faszinierend) , für Tom und mich heißt es noch alles abbauen und dann ab ins Bett. Na ja noch nicht ganz. Erst einmal hieß es an jedem zweiten Tag das Essen ab zu holen. Also erst einmal zu Fuß zum Auto (ja, man erinnere sich an den Fluss zwischen Hütte  und Auto) und anschließend mit dem Auto zum Restaurant (öfters sind wir aber auch mit dem Auto im Dreck stecken geblieben oder haben verzweifelt versucht Äste die sich verkeilt haben aus dem Unterboden zu bekommen). „Nie mehr werden wir an einem so schwer zugänglichen Ort drehen" haben Tom und ich während dem Dreh gesagt – bis die nächste Location es einfach wert ist. Und schließlich haben wir es irgendwie auch immer zum Restaurant geschafft. Die Gastwirte dort waren unglaublich nett, haben sich wirklich Mühe gegeben und uns sogar deutsche Zeitungen besorgt (wirklich ein Segen wenn man völlig abgeschnitten von der Außenwelt haust). Nach dem wir also mit dem Auto irgendwie zurück gekommen sind, stand noch ein letzter Fußmarsch an welcher Tom und mich an unsere körperliche Grenzen gebracht hat (ich erinnere mich vor allem noch an einen 2 Stunden Marsch im strömenden Regen nach dem das Auto stecken geblieben ist - der war besonders schön). Wieder auf der Hütte hieß es noch das Material auf den Laptop und von dort dann auf eine externe Raid Festplatte zu überspielen. Wie oft bin ich vor dem Laptop in sitzender Haltung eingeschlafen - ich weiß es nicht mehr genau aber es passierte ziemlich oft. Mit dem letzten Rest Energie habe ich noch das gedrehte Material angeschaut um dann irgendwann (so zwischen 11:00 und 13:00) völlig am Ende ins Bett zu fallen. Ach ja, einkaufen mussten wir übrigens auch ab und zu.

Die erste Woche voller Nachtdrehs oder "Gibt es noch Red Bull?"


Ehrlich gesagt verschwimmt die erste Woche zu einem einzigen großen Drehtag. Es fühlt sich im Nachhinein einfach so an, als ob wir nie aufgehört haben zu drehen und aufgrund des wenigen Schlafs kommt das der Wirklichkeit auch recht nahe. Von daher folgt jetzt keine Beschreibung der einzelnen Drehtage sondern einfach ein Best-Off der gesamten ersten Woche (zumindest die Highlights an die ich mich noch erinnere):

•    Anja die trotz übler Magenverstimmung einfach weiter gedreht hat und trotzdem kein Stück schlechter spielte.

•    Christians immer gleicher, leicht wahnsinnig grinsender Gesichtsausdruck wenn die Schärfe eingestellt wurde.

•    Patricks Rede. So wunderbar von Nikolai gespielt, dass sich alle krank lachen und lernen Patrick zu hassen (ich liebe die Frage von Zuschauern ob er in Wirklichkeit auch so ein Arschloch ist – ich kann alle beruhigen, ist er nicht). Bei dieser Szene bekam ich meinen obligatorischen Lachflash der diesmal allerdings nur einen Take zerstörte.

•    Einen wirren Achsensprung am zweiten oder dritten Drehtag obwohl mich Christian auch noch darauf hingewiesen hat. Da hieß es am nächsten Tag Nachdrehen.

•    Viel Kaffee und noch viel mehr Red Bull. Dabei haben wir verzweifelt versucht in Tschechien Kaffeefilter zu bekommen (und das nach einem 18 Stunden Tag). Wir waren in drei Läden erfolglos bis wir gemerkt haben, dass diese dort schon in die Kaffeemaschine integriert sind. Zum Ausgleich haben wir in den Läden einfach immer alles an Red Bull gekauft was sie da hatten.

•    Der Außendreh: 6 Scheinwerfer waren ausreichend. Es hatte Minusgrade und war ehrlich gesagt arschkalt. Nadine hielt tapfer durch und wurde zwischen den Takes immer wieder mit Decken so warm wie möglich gehalten.

•    Den Dreh mit der Zuckerglasflasche. Schweißnaße Hände und eine Beule bei Christian trotz Zuckerglas.

•    Unglaublich viele Spiegelungen von den Scheinwerfer in den vielen Fenstern und Glasflächen der Hütte die das Bild einrichten immer sehr knifflig gemacht haben. Ein Pol-Filter wollten wir nicht benutzen da bspw. die Spiegelungen der Wohnzimmerlampe ja durchaus gewünscht waren.

•    Der zwei Tage dauernde Dreh der Szene am Tisch der sich unglaublich real und fast schon beklemmend angefühlt hat. Alle Schauspieler haben mit so einer Intensität gespielt, dass Tom und ich teilweise vergessen haben dass wir das Ganze ja auch noch aufnehmen sollten (na ja den Aufnahmeknopf haben wir dann doch noch gedrückt).

•    Liegestütze, Joggen, Kaffee, Red Bull und Club Mate um das Energielevel hoch zu halten. Club Mate hat dabei eigentlich nur einer getrunken – ich glaube immer noch, dass Gregor süchtig nach dem Zeug ist.

•    Christian und Michael die ihre Texte gefühlte 100mal vor ihren Takes durchgingen. Um ihn nicht tot zu reden artete das Ganze in völlig absurden Betonungen aus.

•    Am eingeplanten freien Tag wird doch gedreht. Die Szene, die wir immer wieder verschieben ist ein Gespräch zwischen Nikolai und Anja. Irgendwann haben wir es endlich geschafft, doch die Szene sollte später dem Schnitt zum Opfer fallen.

© by Harder Life Pictures 2017
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